Zülpich, eine Stadt mit
Charme und Charisma
Hier präsentiert der History-Club Zülpich eine Seite über "Geschichten und Anekdoten aus dem alten Zülpich". Gesammelt und zu Text verarbeitet von der Zülpicherin Marliese Jensen, die ihre Berichte dem History-Club Zülpich freundlicherweise zur weiteren Veröffentlichung zur Verfügung stellt.
Marliese Jensen
Aus Milch wurde Musik
Rund um die Region von Zülpich gab es in den 1940-1950er Jahren noch viel Landwirtschaft mit Viehzucht.
Daher war es von großem Vorteil, dass Zülpich eine Molkerei hatte. Somit wurde die Milch der Bauern direkt abgenommen und verarbeitet.
Die ALTE Molkerei befand sich in der Martinstraße gegenüber der alten Post. Nach dem Aus dieser Molkerei bekam Zülpich eine neue in der Bonner-Straße 30.
Aber der Wandel der Zeit kam und auch sie hatte ausgedient. Ob das darauf zurückzuführen war, dass weniger Milch getrunken oder weniger Käse gegessen wurde, weiß ich nicht. Fest steht jedenfalls: Wenn der Milchwagen durch die Stadt fuhr und man frische Milch bekam - sie schmeckte! Das Ende war also absehbar und die schöne Molkerei verschwand.
Aber etwas anderes zog in das Gebäude (im Keller) ein: Etwas Außergewöhnliches konnte sich in den alten Gemäuern nun etablieren:
Die Musik.
Ich finde, für eine Stadt wie Zülpich und für den ganzen Umkreis, war dies etwas ganz Besonderes:
Ein Tonstudio und der LIVE PROBERAUM, gegründet von Dieter Lehser, Bruno Lehser und Rainer Lehser. Sie alle sind Vollblutmusiker mit einer eigenen Band:
Dieter, Bruno, Rainer Lehser, Elmar Klösgen und Bernd Fröhlich.
Neben den eigenen Konzerten werden hier unter anderem auch von international weltbekannten Musikern Konzerte gegeben.
Unter den Musikern, die heute im LIVE PROBERAUM auftreten, sind viele Oscar- und Grammy - Preisträger. Von Vorteil war natürlich, dass es ein Tonstudio gab, wo Musiker Ihren Auftritt aufnehmen konnten z.B. Henric Freischlader (Gitarrist von Helge Schneider).
Musik ist natürlich auch eine Geschmacksache. Jeder Fan hat eine Vorliebe für eine bestimm-
ten Musikrichtung.
Trotzdem ist es immer etwas Besonderes, die Stars live zu erleben und etwas zur Kultur in Zülpich beizutragen.
Marliese Jensen
LIVE PROBERAUM - Musikclub
Bonner Straße 30
53909 Zülpich
Clubeingang an der Rückseite des Hauptgebäudes
lehser.event@aol.com
Die Zülpicher Stadthalle
"In Zülpich wurde gerne gefeiert und deshalb war man froh, eine Stadthalle zu haben. Sie hatte den 2. Weltkrieg so lala überstanden und wurde renoviert, so gut es ging.
Für mich war sie etwas besonderes, denn sie hatte einen Balkon über der Theke, wo man freie Sicht auf die Bühne und den ganzen Saal hatte. Dazu eine Bar hinter der Bühne. Aber diese konnte man nur über den Treppenaufgang rechts am Elferratstisch vorbei erreichen.
Die Bar wurde von "Susi" ( sie war sonst bei Café Peiner tätig) bedient.
Aber in den 1960er Jahren wurde die Stadthalle zu klein und entsprach auch nicht mehr den Anforderungen der Zeit. Es fanden immer mehr Veranstaltungen statt. Zudem war die Halle auch in die Jahre gekommen. Und so hieß es "Abschied nehmen".
Die neue Halle war dann auch viel größer und moderner; mit Schenke, Kegelbahn, Bar und großer Garderobe. Nun konnten auch wieder viele Veranstaltungen hier stattfinden. Karnevalssitzungen oder Bälle waren zu dieser Zeit sehr gefragt - z.B. Kirmesbälle, Schützenbälle oder Sportlerbälle sowie andere Vereinsveranstaltungen aus der Region. Die Halle wurde dann immer prächtig geschmückt.
Wenn man bedenkt, wie viele namhafte Künstler in der Stadthalle Zülpich auftraten: z.B. Bata Ilic, Adam und Eve, Cindy und Bert, Heino, Roland Kaiser, de Höhner, Bläck Fööss, Colonia Duett usw. Es gab sogar einen eigenen Tonmeister, der für die richtige Beschallung in der Halle sorgte.
Aber es kam, wie es kommen musste: Die Betreiber wechselten und damit fanden auch etliche Umbauten statt. Das Ergebnis war, dass für die Halle die Stunden gezählt wurden und der Abriss beschlossen wurde. Statt dessen gibt es seit 2011 ein "Forum" in der Blayer Straße, das leider nicht den Charme besitzt, den man sich unter einem gemütlichen Domizil vorstellt.
Aber wirtschaftlich ist das Forum bestimmt von Vorteil, da es heute für viele Zwecke genutzt werden kann.
Übrigens:
Während des Neubaus der 2.Halle fanden alle Veranstaltungen im "Kino Horst" in der Martinstraße statt.
Es gab sogar neben diesem Kino noch ein weiteres Kino in der Kölnstraße gegenüber vom "Höttche". Das Kino im Sälchen bei "Eldermann".
Marliese Jensen
Anmerkung der Redaktion:
Der Höhepunkt in diesem Kino war wohl die Vorführung des 220-Minuten-Hollywood-Klassikers "Ben Hur" aus dem Jahre 1959 mit Charlton Heston, Jack Hawkins u.v.a
Ursprung des Hahneköppens.
"Der Hahn gilt als Symbol des Bösen und schädigenden Erntegeistes, der sich in die letzte Garbe des geernteten Korns flüchtet. Dieser Geist wird durch das "Köpfen" getötet.
Eine andere Version stammt aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts, als Deutschland, und hier besonders betroffen das Rheinland, von den Truppen Napoleons besetzt war. Der gallische Hahn gilt als Symbol für Frankreich und durch das "Hahneköppen" sollte deutlich gemacht werden, dass die Bevölkerung sich nicht von den Franzosen unterwerfen lässt ( sie köpften das Symbol der Franzosen). So zeigte der Rheinländer mit seinem speziellen Humor - und hier auch besonders der Eifeler- , wie man den Besatzungstruppen eine heftige Lektion erteilen konnte, ohne sich strafbar zu machen".
Bericht Marliese Jensen
Zülpich - Einkaufsstadt.
Die 50er und 60er Jahre.
Bei "Höpker" bekam man fast alles...
Marliese Jensen erinnert sich:
"Ich erinnere mich noch sehr gut, in den 1950er und 1960er Jahren konnte man in Zülpich noch sehr gut einkaufen. Es gab viele Fachgeschäfte, die mit modischer Ware bestückt waren. Man musste nicht nach Euskirchen oder Düren fahren, um seine Wünsche zu erfüllen.
Es können sicher nicht alle Geschäfte, die seinerzeit in Zülpichs Kernstadt geöffnet hatten, hier behandelt werden. Aber einige, die mir Erinnerung geblieben sind, möchte ich hier vorstellen:
Im Mai und im Oktober gab es eine Kirmes und die wurde genutzt; vor allem von den Kaufwilligen der umliegenden Dörfer. Die Stadt war belebt und es wurde fleißig gekauft. Man kleidete sich neu ein, zum Beispiel ein neuer Mantel bei "Havenith" in der Kölnstraße, eine Bluse von " Charlier" oder bei "Klaucke" in der Kölnstraße.
Einen neuen Hut gab es bei "Cläre Hansen" am Münstertor.
Barfuß brauchte man damals nicht zu gehen, denn die passenden Schuhe bekam man bei "Schick", "Säckler" und "Gatzweiler". Die Nylons dazu lieferte das "Sockes (Strumpffabrik). Für die Herren war der Herrenausstatter "Matheis" ein Anlaufpunkt.
Für Omas, die doch lieber ihrem "Hobby Handarbeit" frönten, gab es seinerzeit ein kleines, sehr feines Handarbeitsgeschäft in der Römerallee: Lieschen Opgenorth.
Opas bzw. Herren und Damen, die dem Laster des Rauchens frönten, konnten die dicksten Zigarren oder Zigaretten bei "Demant" in der Münsterstraße oder bei "Heggen" in der Kölnstraße " sowie bei "Füller" in der Münsterstraße erwerben.
Neben all den Fachgeschäften, die es sonst noch gab und nicht alle aufgezählt werden können, war ein Geschäft - nennen wir es mal ein kleines Kaufhaus- , wo man einfach alles vom Reißverschluss, Knöpfe, Gardinen, Bettwäsche usw. kaufen konnte. Gemeint ist das Geschäft "Höpker" in der Münsterstraße.
Das Männerherz schlug höher, wenn man vom Werkeln sprach. In diesem Laden wurden noch einzelne Schrauben und Nägel verkauft. Wo? bei "Tollmann" am Münstertor und bei " "Berners" in der Nideggener Straße.
Für ein bisschen Luxus sorgten die Juweliere " Blumenthal" sowie "Mostert" beide in der Kölnstraße und " Klaucke in der Münsterstraße" ,
Aber auch das leibliche Wohl kam nicht zu kurz. Dafür sorgten u.a. die Feinkostläden "Katzfey" in der Münsterstraße, "Goris" in der Schumacherstraße, der Käsegroßhandel "Essmeier" in der Kölnstraße und das Geschäft "Westphal".
Die Metzgereien "Schmitz" in der Schumacherstraße und "Fleischer" in der Kölnstraße sorgten u.a. für das Schnitzel auf dem Teller.
Ein Weinhaus durfte in Zülpich natürlich auch nicht fehlen. Hier konnte man beim "Weinhaus Peiner" , das dort stand, wo heute die Kreissparkasse steht, mehr als nur guten Wein kaufen.
Man sagt immer, alles kommt wieder. Das stimmt, wenn auch in etwas anderer Form.
Bei den Lebensmittelgeschäften konnten man früher Rabattmarken sammeln, die dann in ein Buch geklebt wurden. Und wenn das Buch voll mit den Marken war, bekam man beim Einkauf Geld zurück. Heute nennt man das "Payback".
Es wäre wünschenswert, wenn das Leben in der Stadt Zülpich wieder ein bisschen in die " Alte Zeit" zurückfiele und man sich nicht zwischen den Autos auf den zugeparkten Straßen quetschen müsste, um in ein Geschäft zu gelangen."
Marliese Jensen
(Foto: Plakat und Weinhaus: Fam. Gatzweiler, Zülpich)
Zülpicher Kneipen in
den 1950ern und 1960ern.
"In den 1950er und 1960er Jahren wurde in Zülpich die so genannte "Thekenzeitung" gepflegt. In dieser wurden die Neuigkeiten ausgetauscht. Und das nicht immer im Einklang mit der Wirklichkeit. Aber sie war nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch zur Brauchtumspflege sehr von Nutzen. Denn daraus entstanden auch Freundschaften und mehr. So manches Geschäft wurde an der Theke abgeschlossen und auch einiges "ausgeheckt".
In einigen der vielen Kneipen wurde regelmäßig auch das Tanzbein geschwungen - z.B. " Im Höttche" am Kölntor oder bei "Mock" in der Schumacherstraße. Dazu zählten sicher auch der "Westernsaloon" oder "Bei Bülles" ebenfalls in der Schumacherstraße.
Nicht zu vergessen ist die Zülpicher "Stadthalle". Hier waren es hauptsächlich die ortsansässigen Vereine, die die Halle mit Leben füllten. Und das nicht nur an Karneval oder bei Schützenfesten, Straßenmärkten oder bei der Kirmes.
Wer sich sportlich betätigen wollte, kam im Zülpich der 50er und 60er nicht zu kurz. Man konnte im "Römerhof" oder bei "Esser" am Kölntor, bei "Pütz" in Hoven und in der "Stadthalle" kegeln oder sich im "Fontana Vitae" an der Römeralle gegenüber vom Friedhof dem Billardspiel hingeben.
Dann kam die Zeit, als die Vereine ihr Domizil in andere Stätten verlegten.
Zuerst bei den Blauen Funken, die ins Kölntor zogen, es folgte die Prinzengarde, die jetzt im Münstertor feierte und die Öllige, die im Hof bei Esser, Bonnerstraße Quartier bezogen. Die Jungkarnevalisten aus Hoven blieben bei "Walraff".
Das war dann wohl auch der Grund, dass die Gaststätten in Zülpich immer weniger wurden. Ein weiterer Grund war sicher auch das Aufkommen der so genannten "Hausbar", die ein Feiern zu Hause ermöglichte. Man wollte einfach mehr zu Hause im Kreis seiner Lieben feiern. Aber das ist nur meine Spekulation, ob dies alles für das Kneipen-Sterben in Zülpich gesorgt hat.
Immerhin hatte die KERNSTADT von Zülpich mal 29 Kneipen - und zum jetzigen Zeitpunkt sind es gerade mal 4 und ein Bistro".
Em Höttche, Anno Pief, Op d´r Kinat, Zülpicher Wirtshaus und Catalonia.
Marliese Jensen
Foto-Collage: History-Club Zülpich
Viele bekannte
Kneipen in Zülpich
An der Bahn
Bahnhofswirtschaft
Römerhof
Buklewski ,Essersiedlung
Fontana Vitae, Römerallee
Am Kölntor, Käthi Esser
Em Höttche, Heinz Esser
Eldermann, am Kölntor
Hubertusschänke, Kölnstraße
Lilliputbar, Kölnstraße
Fränkischer Hof, Hermann Dauben
Burghof, Horst
Zülpicher Hof, Mock
Westernsaloon, Schumacherstr.
Central-Hotel Bülles, Marie , Schumacherstr.
Op d´r Kinat, Reitz
Bei Adi, Münsterstraße
Bit Stübchen, Schwerbel am Münstertor
Windeisen, Mühlenberg
Reuters Baracke,Bonnerstraße
Stadthalle, Bonnerstraße
Hallenbad-Schwimmbad
Setzkasten, Kölnstraße
Kick, Floren
Em Dörp, Hoven
Wallraf, Hoven
Torbogen, Josef-Peiffer-Platz
Bistro
(Liste Marliese Jensen)
Zülpicher Cafés und Bäckereien.
"Was für die Männer die Kneipe war, war für die Frauen das Café.
Und das waren neben den Bäckereien: Das Café Peiner- Kinat, Café Mostert in der Kölnstraße, Café Schumacher in der Kölnstraße und Café Opgenorth in der Münsterstraße. Die Frauen blieben den Männern nichts schuldig in puncto Tratsch und manchmal ging es auch da lustig zu - vielleicht mit einem Likörchen. Jedes Café hatte damals seine eigene Spezialität an Kuchen. So war Café Opgenorth berühmt für seine Havannatorte.
Café Schumacher glänzte mit seinem Diätkuchen und Café Peiner hatte seine Bedienung "SUSI".
Die Bäckereien Steeg, Lendersdorf, Hamacher und Juntersdorf sorgten für leckere Brötchen und Brot.
Im Café Opgenorth, das später von der Bäckerei Steeg übernommen wurde, fanden auch Veranstaltungen an Karneval statt. Der Prinz und sein Gefolge hielten hier an Weiberfastnacht Einzug. Die Musik kam von verschiedenen Karnevalscorps. Diese Veranstaltung war auch für die älteren Menschen eine schöne Gelegenheit, Karneval in Zülpich zu feiern".
Marliese Jensen
Die Landesburg in Zülpich
und die Familie Sieger -
Das Leben auf der Burg in den 1970er Jahren.
Ein Bericht von Gernot Sieger (zur Verfügung gestellt von Marliese Jensen, Zülpich).
Schnapsbrennerei "Sieger" in der Zülpicher Landesburg (Foto: Stadtarchiv Zülpich). Bis 1986 wurde hier Korn gebrannt. Das Foto entstand nach 1955 und vor 1957, da die Kirche bereits fertiggestellt ist, von dem Kirchturm aber , der 1957 dazu kam, noch nichts zu sehen ist.
Erinnerungen aus den 1970ern.
"Am 15.10.1963 erblickte ich als zweites Kind von Gunther, damals Geschäftsführer der Burgbrennerei Zülpich, und seiner Frau Marlys Sieger das Licht der Welt.
Jener Tag war der letzte, während der Zeit, in der unsere Familie im Besitz der Burg war, an welchem die Burg voll beflaggt war, sprich Fahnen auf allen Türmen wehten. Hierbei war - neben anderen - unsere Familienflagge, welche sich heute in meinem Besitz befindet.
Mein alter Herr war natürlich damals überglücklich, einen Stammhalter zu haben. Aus Erzählungen weiß ich, dass er an diesem Abend an einer Vorstandssitzung der "Blauen Funken" teilnahm. Da man ja, zumindest so der damalige Brauch, ein Neugeborenes "gut pinkeln lassen" muss, war es entsprechend feucht fröhlich. Mein Vater hat, so Erzählungen, den Heimweg auf allen Vieren angetreten. Seine Freunde, unter anderem Ruppert Kammerscheid, Peter Fischer, Karl-Viktor Mundt und einige andere, alle auch nicht mehr des Laufens auf zwei Beinen mächtig, ließen es sich nicht nehmen, ihn nach Hause zu eskortieren.
Ich wuchs mit meiner großen Schwester, sowie meinen beiden jüngeren Schwestern im Schatten der Burg auf. Oberhalb von uns lebte meine Großmutter, Ilse Sieger, mit meiner Tante. Bei ihr habe ich, gerade als ich etwas älter war, sehr gerne Zeit verbracht, denn sie hat mir immer Geschichten aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise und aus dem Krieg erzählt. So bekam ich einen guten Eindruck davon, wie meine Großeltern die Firma durch diese schweren Zeiten gelenkt haben. Im großen Freibad in ihrem Garten konnten wir schwimmen gehen. Das Becken wurde mit dem Kühlwasser der Burg gespeist, hatte also immer um die 25 Grad. Herrlich.
Die erste wirklich bewusste Erinnerung an die Landesburg habe ich an die damaligen Angestellten selbiger:
Die Herren Kretsch, Wirtz und Bell haben uns zu Hause etwas an der Garage repariert/gebaut. Ich durfte zwischendurch immer mal zuschauen gehen, und natürlich habe ich die Pausen mit den Arbeitern verbracht. Herr Kretsch hat dann immer sein Brot mir mir geteilt.
Wenn es Richtung Herbst ging, also die Zeit der Obst- und Gemüseernte, sahen wir fast jeden Tag Herrn Bell bei uns. Er betreute den Gemüsegarten hinter der Burg; er lag auf dem Hügel, wo heute Gartenschaugelände ist, bis hin zum Clarens Berg. Er brachte die frisch geernteten Sachen in großen Weidekörben zu meiner Mutter, welche diese dann weiterverarbeitet hat. Ja, damals hat man tatsächlich noch seine Vorräte selber gemacht, man ging nicht in den Supermarkt, um diese Dinge zu kaufen. Möhren, verschiedene Sorten Bohnen, Erbsen, Kirschen, Mirabellen und noch einiges mehr.
Kurz nach dieser Zeit begann dann die Zeit der Apfelernte. Da halfen dann auch die Angestellten der Burg mit. Herr Schenz oder Herr Spicker fuhren ihren LKW auf die Wiese, dieser wurde dann mit sorgsam gepflückten Äpfeln befüllt und dann sehr vorsichtig in Holzkisten, welche mit Zeitungspapier ausgelegt waren, gelegt. So hatte man bis ins späte Frühjahr eigene Äpfel.
Schon als kleines Männchen habe ich, wenn ich mit Papi auf die Burg durfte, lange Steifzüge durch die Burg unternommen. Dort traf ich natürlich auf die diversen Angestellten, wovon mich manch einer lachend "Junior Chef" nannte.
Ich möchte jeden jetzt einfach an einem dieser Rundgänge und an meinen damit verbundenen Erinnerungen teilhaben lassen:
Ich stand im Innenhof, morgens so gegen 10.00 Uhr. Hinter mir hörte ich schlurfende Schritte, der alte Herr Wirtz war nach mir durch das Burgtor getreten. Links von mir, etwa auf Höhe des heutigen Eingangs zur Geschichtswerkstatt, stand ein Trecker mit Fasshänger, welchen er aus einem beweglichen Metallrohr mit Schlempe befüllte. Schlempe ist ein Getreideabfallprodukt bei der Kornherstellung. Da sie sehr nahrhaft ist, haben die Landwirte sie an ihr Vieh verfüttert.
Herr Wirtz nahm mich dann sofort an die Hand, wir gingen in die Burg und stiegen den Turm hoch. Ganz oben, kurz unter der Decke des Turmes, befand sich der Taubenschlag. Herr Wirtz war zwar eigentlich schon in Rente, aber er ließ es sich nicht nehmen, jeden Tag hier hochzusteigen, um die Tauben zu füttern. Früher sind die Tauben auch Rennen geflogen, aber diese Zeit war vorbei.
Eine halbe Stunde später sind wir wieder unten. Ich verabschiedete mich und lief fröhlich in die Burg. Am Destillator traf ich Herrn Flink und Herrn Mauß, die miteinander diskutierten. Ich betrachtete die beiden nicht weiter, bog links ab Richtung Schlosserei und Kesselhaus. In der Schlosserei traf ich Herrn Peter Krämer, ehemaliger Torhüter des TuS Zülpich, und in meinen Augen damals steinalt. Peter war nicht groß, aber er hatte immer ein verschmitztes Grinsen auf den Lippen, lustige Augen und er war supernett. Wir haben ein paar Worte miteinander gewechselt und dann habe ich mich wieder aufgemacht, vorbei an Herrn Flink und Herrn Mauß, die Treppe hoch in den ersten Stock. Dort bog ich dann links ab, trällerte Herrn Rademacher, dem Elektriker der Burg ein fröhliches "Guten Morgen" in seine Werkstatt und verschwand dahinter in der Schreinerei. Dort war der Herr aller Sägen und des Holzes zu finden, Herr Elsig. Er war auch schon deutlich älteren Semesters, aber ich mochte ihn ganz besonders. Immerhin konnte ich unter seiner Aufsicht immer vor Weihnachten Laubsägearbeiten durchführen. So sparte ich einiges an Geld für Weihnachtsgeschenke.
Von dort aus lief ich noch ein bisschen durch den Raum mit den Maischebottichen, durch die Kornlager, traf hier Herrn Kretsch beim Aufstellen von Mausefallen, streichelte die burgeigenen Katzen, schaute hier und dort aus den Fenstern und stellte mir die Zeit vor, als noch Ritter auf der Burg lebten. Irgendwann wurde mir langweilig, und so lief ich Richtung Keller, wo die Fässer zum Lagern des Kornbrandes " Alter Sieger" standen. Wunderschöne alte Kellergewölbe, leicht feucht, klamm, ein leicht modriger Geruch, welchen ich auch jetzt immer wieder in der Nase habe. Ich ging weiter zur Abfüllung. Hier waren auch einige Leute bei der Arbeit. Inzwischen war Herr Flink hier eingetroffen, Herr Kratz und auch Herr Bell waren da. Ich blieb noch ein wenig dort und beobachtete alles genau, ehe ich durch die Zollhalle am Zöllner vorbei in Richtung des Büros schlenderte. Am Empfang saß Herr Fröhlich, der mich dann auch sofort reinließ. Ich bin die Treppe hoch ins Büro meines Vaters und wollte ihm von meinen spannenden Erlebnissen erzählen.
Mein Vater saß an seinem Schreibtisch und telefonierte. Ich ließ mich in einen Sessel nieder uns schaute mich im Büro um. Irgendwann kam dann Herr Schulte herein. Aufgrund der Tatsache, dass mein Vater telefonierte, sprach er mich recht leise an. Wir unterhielten uns ein bisschen. Er fragte mich, was ich denn heute alles so erlebt hätte. Seine Stimme kam mir sehr bekannt vor, aber nicht von hier, nicht von der Burg, aber ich wusste sie in diesem Moment nicht zuzuordnen.
Irgendwann hatte Papi das Telefonat beendet und ich wollte losplappern. Aber er sagte, dass er dringend mit Herrn Schulte reden müsse. Ich könnte ihm das beim Mittagessen erzählen. Und so schickte er mich nach Hause. Ich umrundete die Burg, schlenderte durch den Burggarten und dann an der Stadtmauer vorbei in Richtung unseres Hauses. Und da wusste ich es auf einmal: Die Stimme, das war der "Nikolaus", welcher uns jedes Jahr im Dezember besuchte. Also rannte ich los. Das musste ich unbedingt meiner Mutter erzählen.
Für mich persönlich endete das Kapitel Burg im Jahr 1976, als mein Vater die Burg als Geschäftsführer verließ. Damit waren dann auch meine Besuche und Streifzüge in dem alten Gemäuern vorbei. Circa ein Jahr später entschieden die Gesellschafter - es waren insgesamt 33 Familienmitglieder an der Burg beteiligt -mehrheitlich, die Firma und die Burg zu verkaufen.
Somit endete dann auch das Kapitel "Familie Sieger und die Landesburg Zülpich". Auch heute sehe ich das immer noch wehmütig. Allerdings habe ich eine Erinnerung an die Burg, welche ich wie meinen Augapfel hüte; es handelt sich um ein Stück der Turmmauer des Wachturms, welches ich mir irgendwann sichern konnte.
Ich hoffe, dass ich einen kleinen Einblick über das Leben auf der Burg in den 1970er Jahren vermitteln konnte".
gez.
Gernot Sieger
(Foto: Glasfenster/Burg: Mit freundlicher Genehmigung von Michael Kamer, Heimbach. Weitere Fotos: Archiv History-Club Zülpich. Foto Aussichtstum innen: Mit freundlicher Genehmigung von Herr Jan Popp-Sewing Burgerbe.de und der Unternehmensgruppe Füngeling.
1980er: "Jazztage" in Zülpich
Dixieland in der alten Römerstadt.
(Bericht von Markus Schleiermacher )
"Es war einmal im Jahre 1982, als fünf junge Männer spontan auf dem Karnveval-Dienstagsball der "Blauen Funken" eine kleine Dixieland-Einlage spielten. Dieser Auftritt kam beim Publikum so gut an, dass die Fünf beschlossen, eine Dixieland-Jazz-Kapelle zu gründen. Für eine richtige Dixieland-Kapelle fehlten aber noch die wichtigsten Instrumente wie Banjo, Bass und Klavier.
Die Gründungsmitglieder waren 1982:
Jürgen Grimm ( Trompete)
Ralf Simons ( Klarinette)
Markus Schleiermacher ( Posaune)
Ulrich Jockenhövel ( Banjo)
Christoph Opgenorth ( Klavier)
Michael Strang ( Tuba).
Im " Central-Hotel" bei Maria Bülles fanden wir einen für uns wunderbaren Proberaum. Früher einmal - nach dem Krieg - war in diesem kleinen Saal der erste Zülpicher Discount untergebracht. Deshalb einigten wir uns auf den Bandnamen "OLD DISCOUNT JAZZ COMPANY.
Käthe Schmitz schenkte uns noch ein altes Klavier und so konnte es mit den Proben losgehen.
Nach bereits einem halben Jahr hatten wir so viele Stücke einstudiert, dass wir schon auf Geburtstagsfeiern oder Firmenjubiläen auftreten konnten.
In dieser Zeit wechselten drei Musiker. Es kamen zu uns:
Ferdi Engels (Tuba)
Thomas Kehr (Banjo)
Guido Strang ( Schlagzeug).
Diese waren alle erfahrene Musiker, die uns in unserer musikalischen Entwicklung sehr viel weiter brachten.
Prominenz in der Römerstadt beim
3. Zülpicher Jazzabend 1985
In der Folgezeit konnten wir uns immer weiter verbessern. Jedes Jahr veranstalteten wir im "Central-Hotel" einen Jazz-Abend als "Dankeschön" für den kostenlosen Proberaum. In Zülpich-Ülpenich, im Saale Bohn, fanden insgesamt drei wunderschöne und immer ausverkaufte Jazz-Konzerte mit Gastkapellen statt.
Dazu zählten beim 3. Jazzabend die "Maryland Jazz Band" mit ihrem original New Orleans Jazz. Gaststars waren Sylvia Kuumba Williams (Sängerin) und Harold Duke Dejan (Saxophon), der seinerzeit noch mit Louis Armstrong zusammen gespielt hat. An einem anderen Abend hatten wir die "Cologne Dixieland Company" zu Gast. Unvergessen bleibt auch das Konzert mit der "Vistula River Jazz Band" aus Polen.
Harald Duke Dejan.
Wir hatten damals ein großes Ziel vor Augen:
Einmal in Köln im "Streckstromp" zu spielen. Der "Streckstromp" ist Deutschlands einziges Jazzlokal mit täglich wechselnder Livemusik. Um dahin zu kommen, musste man aber erst in "Papa Joe´s Biersalon" am Altermarkt in Köln vorspielen.
Gesagt - getan. Wir wurden für gut befunden und waren für den "Streckstromp" engagiert. Unser dortiges Konzert war wohl der Höhepunkt unserer Jazzlaufbahn; da bin ich heute noch stolz darauf.
Übrigens: Unser Aufkleber hängt noch immer an der Wand über dem Klavier.
Fazit:
Alles im Leben hat seine Zeit. Und so ging auch die Zeit der "OLD DISCOUNT JAZZ COMPANY " zu Ende.
1992 lösten wird uns nach zehn wunderschönen und unvergessenen Jahren auf. Es war eine tolle und aufregende Zeit, an die ich mich gerne erinnere und die ich nicht missen möchte.
gez. Markus Schleiermacher, im Foto Mitte rechts.
(Fotos: Sammlung Markus Schleiermacher, Zülpich)
"OLD DISCOUNT JAZZ COMPANY " 1982-1992
Die Schattenseite -
es gab auch schlimme Tage in Zülpich
Großbrand in Zülpich am 18. Juni 1981.
"Von meinem Garten aus konnte ich an diesem Tag die ersten Rauchschwaden sehen. Die Sirenen hatte ich schon vorher gehört, aber an etwas so Schlimmes hätte ich nie gedacht.
Ich bin sofort losgerannt und dachte, da ist was Schlimmes passiert. An die Sporthalle hätte ich nie gedacht. Als ich dort ankam, erkannte ich in den Gesichtern der Schaulustigen das blanke Entsetzen, denn es brannte die Sporthalle schon lichterloh. Mir stockte der Atem, aber der Adrenalinstoß kam hinterher, denn ich hatte vor kurzem die Fechtabteilung des TuS Chlodwig übernommen. Da hieß es handeln, denn unsere ganze Ausrüstung - was man zum Fechten so braucht - befand sich im ersten Drittel der Halle, wo es vielleicht noch ein Chance gab, diese Sachen zu retten.
Mein Vater stand damals neben mir. Er was früher bei der freiwilligen Feuerwehr und erkannte einen ehemaligen Kollegen und mit ihm konnte er in die brennende Halle vordringen. Zusammen konnten sie die Fechtausrüstung aus der Halle herausholen. Sie war gerettet, wenn auch verschmutzt. In der Aufregung vergaß ich es leider, mich bei dem Feuerwehrmann zu bedanken. Neben mir stand der nächste Retter in Form des RK Busses mit Dr. Sch., der mir das Equipment nach Hause brachte. Später kontrollierte ich alles. Es war verschmutzt und verrußt, aber alles intakt. Was wollte ich mehr.
Wie sich später herausstellte, war es unser großes Glück, dass wir das Material retten konnten. Wenn auch die Halle weg war, blieb uns die Möglichkeit, unseren Sport in der Halle in Weiler i. d. Ebene auszuüben. Andere hatten da weniger Glück.
Nachdem das Feuer mit Feuerwehren aus dem gesamten Kreis gelöscht war und die verkohlten Teile der Halle und des Schwimmbades und des dazwischen gelegenen Restaurants zu sehen waren, konnte man das ganze Ausmaß der Katastrophe erkennen, wenn auch nicht begreifen. Was das Finanzielle betraf, wurde es nun erst richtig interessant. Da fast alle Sportlerinnen und Sportler und Schülerinnen und Schüler vor dem Nichts standen, war die Frage: Wie geht es weiter? Vor allem mit dem Schulsport.
7,5 Millionen DM Schaden. Man kann sich denken, dass eine solche Halle nicht wieder so schnell aus dem "Boden gestampft " werden kann. 2000 Schüler standen auf einmal vor dem Nichts.
Ich denke, die Leichtbauweise, die zwar ein schnelles Fertigstellen bedeutete, hat im Nachhinein aber auch sicher Nachteile gebracht. Denn man musste damit rechnen, dass dieses Material schnell brennt - was sich dann ja auch bewahrheitet hat. Es blieb damals zu hoffen, dass alles schnell wieder aufgebaut würde".
Marliese Jensen
...wird fortgesetzt
Hinweis:
(Die Berichte und Erzählungen stammen im Ganzen von Marliese Jensen. Der History-Club hat auf den Inhalt keinen Einfluss. Lediglich wurden einige Textkorrekturen aus Gründen der Verständlichkeit vorgenommen, die den Gesamtinhalt nicht beeinträchtigen).